Im Baumarkt


Eigentlich wollte Claudia nur mal gucken.
Der Baumarkt hatte neu eröffnet und sie war neugierig. Sonnabend morgen war es endlich soweit. Nach einem gemütlichen Frühstück machte sie sich auf.

Zunächst ging es mal 20 Kilometer bis ins Gewerbegebiet. Wie viele große Ketten hatte auch der Baumarktbetreiber einen gigantischen Klotz mitten zwischen die Wiesen und Felder Schleswig-Holsteins gesetzt - da, wo die Grundstücke billig und die Ämter noch zuvorkommend sind.

Der riesige Parkplatz war fast voll. Und das schon um 10 Uhr. Naja, Claudia war ja nicht die Einzige, die nur mal gucken wollte :-).


Sie parkte ihren Wagen und schlenderte zum Eingang. Die große Hinweistafel "Wo Sie was finden" ignorierte sie geflissentlich. Claudia wollte ja nichts kaufen. Im Strom der anderen Kunden ließ sie sich durch die Hallen treiben. Es nahm kein Ende.
Bei den Lampen verstieß sie das erste Mal gegen ihren Vorsatz, es beim Bummeln zu belassen. Die grüne Schreibtischleuchte war ja auch zu schön. Im alten Lesesaalstil gehalten, mit Messingbügel und Bakelitfuß. Außerdem sind 29,95 Euro nicht die Welt.

Nun noch die passenden Glühbirnen. Bei dieser Gelegenheit kaufte sie gleich noch eine Energiesparleuchtröhre für den Keller. Die alte flackerte seit Wochen, es war nur logisch, die mal zu ersetzen.
Auf ihrem weiteren Weg erspähte sie noch das lange gesuchte Geschenk für ihre Freundin: eine wunderschöne gußeiserne Hängeampel für Balkonblumen. Zwei Geranienkästen für die eigene Loggia wollte sie auch schon immer mal haben, also...

Zwei Kerzenständer, eine Großpackung Teelichter (nur 2,99 Euro!) und einen Sack Blumenerde später beschloss Claudia, es nun gut sein zu lassen. Ab zum Ausgang und nach Hause!

Allerdings wäre ein kurzer Abstecher zu den Kundentoiletten noch angeraten. Claudia hatte eine Kanne Hibuskustee beim Frühstück getrunken und das war drei Stunden her. Ihre Blase drückte schon seit der Lampenabteilung.
Bepackt mit vier Tüten rechts und drei links, die Blumenkästen unter dem Arm, ging sie durch die Hallen, immer Ausschau haltend nach dem erlösenden Hinweisschild "WC". Es war wie verhext. Nichts zu sehen. Es musste doch irgendwo einen Informationsschalter oder einen Verkäufer geben! Sie sah sich um.

Der Markt hatte mittlerweile etwas von einem Volksfest. Hunderte von Kunden schoben sich an den Auslagen vorbei. Man kam kaum vorwärts. Claudia wurde angerempelt, weitergeschoben und bedrängt.
Das Gewicht ihrer Einkäufe machte es nicht besser. Die Lampe und die Leuchtröhre waren stoßsicher verpackt - sperrig war das Ganze auch noch.
Sie flüchtete in eine etwas ruhigere Ecke zwischen die Auslagen, um aus dem Gang herauszukommen. Ihre Schätze stellte sie erstmal ab. "Nur ruhig bleiben" besänftigte sie sich.

Das war leichter gedacht als durchzuhalten.
Leise seufzend kreuzte sie die Beine. Unter dem langen Wollrock sah das hoffentlich keiner. Sie kniff hingebungsvoll die Schenkel zusammen und ließ ihren Blick über die Schilder in der Halle schweifen.
DA endlich sah sie es. "Zur Information" mit Pfeil geradeaus. Zwar ganz hinten, aber es half ja nichts. Claudia schob ihre Einkäufe zurecht, griff ihre Tüten und machte sich auf den langen Weg.

Sie kam kaum vorwärts. Wenigstens bot das Gedränge ihr Gelegenheit, immer mal wieder unaufällig ein Bein hochzuziehen, wenn es zu nötig wurde. Feine Schweißperlen legten sich auf ihre Stirn. Sie hatte das Gefühl, einen zum Platzen aufgeblasenen Ballon in ihrem Unterbauch spazierenzutragen.
Als sie die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht hatte, wurde sie gegen ihren Willen in einen Seitengang geschoben.
Ärgerlich sah sie dem Proletenpaar nach, dass sie da so rüde hingedrängelt hatte. Dann erblickte sie... Oh! Sie war in der Badezimmerabteilung gelandet.

Um sie herum standen verführerisch glänzend Dutzende von Toilettenschüsseln.
Der Anblick war fast zuviel für Claudia.
Toiletten! Wenn man nur mal kurz... Sie musste doch so dringend! Aber das ging doch nicht! Um sie herum tobte der konsumgeile Mob - und die Toilettenschüsseln waren ja nicht angeschlossen. Die standen da einfach so auf dem Boden. In der Mitte der Kollektion stand eine etwas erhöht auf einem Podest. Ein stilsicher designtes Ausstellungsmodell. Wie an Fäden gezogen stolperte Claudia dahin. Ihr Verstand war vernebelt. Sie konnte kaum noch stillstehen.
"Nur mal kurz hinsetzen, nur mal kurz, dann geht es bestimmt wieder" flüsterte ein kleiner bocksfüßiger Teufel in ihr Ohr.

Claudia stellte ihre Tüten ab und lehnte die Kästen dran.
Sie stieg auf das kleine Podest, drehte sich um und setzte sich auf die Brille. Wie von selbst schob sich ihr Rock hinten hoch. Die kühle Brille berührte ihre Schenkel, da, wo zwischen Höschen und Rand der halterlosen Strümpfe nackte Haut war.
Ein uraltes Konditionierungsprogramm übernahm die Herrschaft über Claudias Willen: Sie saß auf einer Toilette. Also durfte sie pinkeln.
Mit dem letzten Rest von Selbstbeherrschung kämpfte sie gegen den unwiderstehlichen Drang an. Doch ihre Schenkel spreizten sich bereits....

Sie kippte das Becken nach hinten, beugte sich etwas nach vorne und spürte es fassungslos kommen. Die ersten Tropfen bahnten sich ihren Weg in ihren Slip, es wurde feucht, feuchter, warm.. nass! Trotz des Lärms im Baumarkt hörte Claudia, wie es erst zögernd, dann regelmäßiger leise trommelte: Das Geräusch des immer stärker werdenden Strahls auf der Sperrholzplatte, die die Toilette von unten abdichtete.

"Kann ich Ihnen helfen" erklang eine Stimme vor ihr. Sie öffnete entsetzt die Augen, die sie vor Erleichterung und Lust geschlossen hatte. Vor ihr stand ein Verkäufer. Jetzt, wo sie ihn nicht mehr brauchte.
"Ich..ich sitz nur mal Probe" stammelte sie mit hochrotem Kopf. Sie versuchte alles, um nicht weiterzupissen, aber die Flut ließ sich nicht aufhalten. Sie pinkelte...
"Das ist unser Topmodell. Nur diese Woche zum Vorzugspreis wegen der Eröffnung." fuhr der Verkäufer fort.
Dem Himmel sei Dank, er hatte nichts gemerkt!
Claudia schwitzte.
"Ich überleg es mir noch. Ich komm dann auf sie zu" stieß sie hervor. Der Verkäufer nickte und wies auf einen Schalter. "Sie finden mich dahinten!" Dann ging er endlich.
Claudia strullte jetzt mit vollem Druck. Nur schnell fertig werden, bevor unter dem Podest die Flüssigkeit nach draußen lief!

"Was machst du da" zwitscherte ein helles Kinderstimmchen. Das Mädchen mochte vielleicht 8 Jahre alt sein. "Wonach sieht es denn aus?" gab Claudia zurück.
"Na, du piescherst!" verkündete die Kleine siegesgewiss. Dem Kind war nichts vorzumachen. Aber Claudia kam ein Gedanke.
"Willst du auch mal?" fragte sie freundlich. "Jahaaa, ich muss ja auch mal!" meinte das Mädel. Claudia war fertig und erhob sich. Der Rock fiel wieder herunter. Das Kind erklomm schnell das Podest, zog sich die Jeans und den Schlüpfer runter und setzte sich.
Ein beherztes Zischen erklang.
Claudia machte, dass sie da weg kam. Sie schnappte sich ihre Sachen und ging.

Im Weggehen hörte sie ein entrüstetes: "Gina-Marie! Was machst DU denn da?!"
In sicherer Entfernung drehte sie sich um.
Gina-Marie war inzwischen fertig. Ihre Mutter stand vor dem Verkäufer, der anklagend auf den Boden wies, wo sich mittlerweile ein kleiner gelber See um das Podest herum gebildet hatte.
Die Mutter nahm ihre Tochter entschlossen in Schutz. "Das kann doch mal passieren. Sie ist doch noch ein Kind. Das kann sie doch nicht wissen, dass die Toilette nicht angeschlossen ist...."

Leise lächelnd ging Claudia zum Ausgang. Um das Mädchen machte sie sich keine Sorgen. Der Ärger würde schon nicht zu groß werden.

Sie verstaute ihre Einkäufe im Auto und fuhr nach Hause.
Den ganzen Tag war sie in leichter, gelöster Stimmung.

Was Baumärkte doch für Möglichkeiten bargen.

:-)



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