Wüste (Ein unerotischer Bericht)


Als ich damals zu dieser langen Reise aufbrach, hatte ich keine Ahnung von Nordafrika. Gut, das, was man so lesen konnte und ein paar Dokumentarfilme im Fernsehen - das war mein ganzes geistiges Rüstzeug.
Ich war gerade 18 Jahre alt geworden und in Hamburg war alles über mir zusammengebrochen.

Mein Freund, ein Ashanti aus Ghana, war in Kiel zu Tode gekommen und ich tickte aus. Wir hatten uns im Streit getrennt gehabt und ich verbrachte ganze Nächte in Tränen und Gebeten, weil es mir so unendlich Leid tat, dass wir im Zorn auseinandergegangen waren.
Nach einer Woche raffte ich mich auf und hob alles Geld von der Bank ab (das war nicht wenig, weil die Einkünfte aus dem Goldhandel, den er betrieb, über mein Konto gelaufen waren).
Ich ließ meine hüftlangen Haare abschneiden, kaufte mir ein paar Klamotten, die ich immer schon mal haben wollte, die aber zu exotisch waren, um sie im Hamburger Alltag zu tragen, dann ließ ich meinen Käfer 1200 durchchecken und fuhr los.

Ich fuhr südwärts, über die Schweiz, Frankreich, Spanien bis nach Gibraltar.
Damals brauchte man für Marokko noch ein Visum. Ich hatte keines, nur meinen Reisepass. Ein paar Nächte in Truckerkneipen brachten mich weiter. Ich traf Leute, die genau wussten, was zu tun war, LKW-Fahrer, mit allen Wassern gewaschen und mit allen Hunden gehetzt. "Hast Du ein wenig Kohle, Mädchen? Ja? Dann ist das kein Problem..."

Es war keins.
Die Jungs kannten die entscheidenden Leute: Hafenoffiziere, Zollbeamte, Fährkapitäne.
In Tanger besorgte ich mir neue Kleidung. Eine Aba, eine Jellabah (weite Überwürfe), einen Turban, Handschuhe, Henna, Stiefel. Unter Anleitung eines erfahrenen Überlandtruckers verwandelte ich mich im Hinterzimmer einer marokkanischen Teestube in einen nordafrikanischen Berber.
Nun bin ich ziemlich groß, größer als die meisten Männer. Unter den ganzen Klamotten, mit Turban, dessen Baumwollstreifen ich mir über Mund und Nase zog, und mit den Handschuhen angetan, hätte mich niemand mehr für eine Frau gehalten.
Ich rieb mir Henna ins Gesicht. Das einzige Problem waren meine Augen. Aus dem Spiegel sahen sie mich an: so hell, dass sie fast weiß erschienen.
Der Trucker beruhigte mich: "Die Tscherkessen haben solche Augen. Man wird nichts merken. Aber an Deinem Gang müssen wir arbeiten!"

Das war das Schwierigste: Zu lernen, wie ein Kerl zu gehen.
Hüftsteif also, nur die Schultern in Bewegung. Ich kann das heute noch ganz gut, wenn es drauf ankommt ;-).
Aus heutiger Sicht erstaunlich ist, dass keiner der Männer versuchte, mich flachzulegen. Ich denke, das lag daran, dass ich so verdammt jung und naiv war, dass ich so eine Art Welpenschutz besaß. Oder meine Armee der 300 Schutzengel ist einfach nur ne gute Truppe - keine Ahnung. Jedenfalls waren diese Kerle meine Rettung, meine Beschützer und mein Ticket durch die folgenden Monate.

Erstaunlichereise hielt mein Auto durch. Im Konvoi mit den Trucks (immer schön dazwischengeklemmt) fuhr ich mit meinem kleinen Wolfsburger durch Marokko, bis runter nach Agadir, dann wieder hoch am Rand des Rif-Gebirges bis nach Tetuan.
Von dort wieder Richtung Mittelmeer und immer an der Küste entlang - den Grenzübergang zu Algerien hab ich fast nicht bemerkt. Wir fuhren auf einer der wenigen Nebenstraßen. Irgendwann kam eine Bretterbude, vor der ein Bewaffneter stand.
Wie vorher besprochen, hielt ich mit der behandschuhten Hand ein Bündel Geldnoten aus dem Seitenfenster und wurde durchgewunken. "Jallah Jallah!" rief er (das arabische "Dalli dalli").

Wir aßen unseren mitgebrachten Proviant in den wenigen Pausen, die wir machten und tranken Unmengen von Wasser. Ich schwitzte fast die ganze Zeit wie Hölle, so kam ich mit den spärlich gesäten Pinkelpausen gut aus.
Wenn es wieder mal soweit war, hielten wir am Straßenrand, jeder verzog sich hinter sein Gefährt und hockte sich hin (okok, die Männer nicht).

In Tunesien konnte ich endlich duschen. Das kleine Hotel in Tunis sei gepriesen, noch heute, für die Gastfreundlichkeit und die sehr wertvollen Tipps, die mir die dortige Besitzerin gab.
"Trink kein Wasser. Trink unseren Cai ("Tschai"), den starken, süßen Tee. Und trink nicht soviel! Ihr Europäer habt andere Gewohnheiten. Dies ist Afrika. Hier ist es anders. Dein Körper wird sich anpassen."
Und so war es.

Die Fernfahrer blieben eher unter sich, ich aber machte mich mit den Einheimischen bekannt, saß vor ihren Zelten, auf ihren Teppichen, trank ihren Tee.
Und hörte endlich auf, wie ein Ochse zu transpirieren.
Pinkeln musste ich aber nach wie vor in unverminderter Stärke. Tee treibt.

Lange habe ich mich gewundert, wie die Berber das handhaben, denn ich bekam es nicht zu sehen. Die Männer erleichterten sich derart beiläufig, dass ich es fast nie beobachten konnte. Nur einmal, da sah ich einen jungen Kerl aus einem Zelt kommen, etwas eiliger, als es sonst die Art der Menschen da ist. Er ging raschen Schrittes hinter die nächste Düne und kam nach kurzer Zeit zurück. Wesentlich langsamer allerdings.
Die Frauen machten es anders. Sie gingen in kleinen Gruppen auf kurze Spaziergänge. Eine hatte ein Stoffbündel unter dem Arm.
Etwas abseits von den Zelten, aber durchaus in Sichtweite, wurde das Bündel aufgerollt und der Stoff als Sichtschutz gespannt. Zwei, drei Frauen hielten ihn fest, während sich eine dahinter hockte, um zu pissen.

Nun hatte ich weiter oben ja geschrieben, dass ich als Mann galt.
Dies war zwar einerseits von Vorteil, weil ich als männlicher Gast in die Runden der Männer aufgenommen war und mich bedienen lassen konnte.
Man akzeptierte, dass ich als Fremder zur Unterhaltung nichts beitragen konnte, behandelte mich dennoch stets ausgesucht freundlich.

Andererseits hatte das Ganze einen gravierenden Nachteil.
Ich konnte nicht einfach so pinkeln gehen.
Die Gefahr, mich als fremden Mann in "Weiberstellung" hinter einer Düne hockend zu präsentieren, war sehr groß. Meine Deckung wäre aufgeflogen und so naiv war ich nicht, davor keine Heidenangst zu haben.

So lernte ich, beiläufig zu den Kamelen rüberzuschlendern, irgendwann stehenzubleiben, möglichst unmerklich die Beine zu spreizen und es im Stehen laufen zu lassen. Wenn ich fertig war, schaufelte ich mit einem Fuß etwas Sand über den feuchten Fleck. Natürlich half es, dass ich dabei keine Unterwäsche trug ;-).
Da ich mich nicht darauf verlassen konnte, solche Gelegenheiten wahrnehmen zu können, gewöhnte ich mir an, vor langen Plauderabenden DOCH einen Slip anzuziehen. Diesmal aber stopfte ich ein dickes Stoffbündel ins Höschen. Wenn es dann Stunden später sehr dringend war, lockerte ich die Beckenmuskeln und ließ es schwallweise kommen. Ich hab dabei Blut und Wasser geschwitzt, weil ich nie wusste, ob das Bündel alle Flüssigkeit aufnehmen konnte und ob man deshalb beim Aufstehen nicht doch etwas sehen würde.

Auf diese Arten zu pissen hab ich nie genossen, damals.
Es waren Notlösungen.
Als ich am Ende meiner Reise in Karthoum auf dem Flughafen das erste Mal seit vielen Monaten eine westliche Toilette aufsuchen konnte, ergab sich eine weitere Schwierigkeit.
Ich war als Mann gekleidet, ging aber aus alter Gewohnheit ins Damenabteil. Drei kreischende Araberinnen jagten mich postwendend da wieder raus und ich verzog mich in die Männersektion. Wenigstens gab es dort Kabinen, und ich durfte endlich ohne Stress und ungesehen pinkeln. Was für eine Erlösung.

Über das Theater am Lufthansa Schalter wegen meines Passes und dann meinen unfreiwilligen Aufenthalt in der Polizeistation des Frankfurter Flughafens berichte ich ein andernmal.

Es ist mir klar, dass dieser Reisebericht manches Lesers Erwartungen enttäuscht hat. Keine geilen Pinkel-Begebenheiten. Dafür ein kleiner Einblick in die fremden Sitten der Wüstenländer.

Da aber unser Thema ein zentraler Punkt meiner Reise war, hab ich mir die Freiheit genommen, das Ganze für Euch aufzuschreiben.

Die nächste Story wird dann wieder erotisch, versprochen! ;-))



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